18.4.07

Blick dir deine Meinung

Bonanza fragt
Hat der "Blick" noch eine Zukunft?


Tigra sagt
Nur wenn er seinen Kurs grundlegend ändert. Der Blick verliert stetig an Leser. Er hat noch knapp 700'000 Leser - fast halb so viele wie 20 Minuten. Das Problem beim Blick hat zwei Ursachen: Einerseits ist es die eben erwähnte Gratiszeitung, die sich von
der Informationsfülle her kaum vom Blick unterscheidet. Der einzige Unterschied beträgt noch 1 Franken 80. Andererseits ist es Frank A. Meyer. Der Chefpublizist beim Ringier-Verlag hat trotz Reichtum eine gewerkschaftliche Ader, ein Gespür für Benachteiligte. Was in den Blick kommt, muss erst mal an Frank A. Meyer vorbei. Er praktiziert einen Boulevard-Journalismus mit linkem Einschlag, was - wie die Weltwoche wohl richtig folgerte - nicht funktioniert ("Boulevard und Political Correctness vertragen sich nicht"). Das klingt seltsam, ist aber so. In Grossbritannien, der Hochburg des Boulevard, wird rücksichtslos mit dem Finger auf alles gezeigt, was irgendwie ungerecht erscheint. Egal ob die Akteure der Ungerechtigkeit auch mal Minderheiten (also Ausländer, Muslime oder Schwule) sind. Der Blick geht anders vor. Sobald Ausländer in Ungerechtigkeiten verstrickt sind, nimmt er sich zurück. Hat er hingegen das Gefühl, es gebe langsam genug Deutsche in der Schweiz, startet er eine Kampagne. Weil die Deutschen keine "bösen" Ausländer sind, wie jene aus dem Balkan. Der Blick schreibt auch lieber tagelang über den geklauten Laptop von Bundesrätin Doris Leuthard als über den Sozialhilfeskandal der grünen Zürcher Stadträtin Monika Stocker. Geraten linke Politiker in öffentliche Kritik, ist der Blick weit weg, pflanzen die Kinder von SVP-Parteipräsident Ueli Maurer Hanf im Garten an, hat der Blick eine Woche lang die prominentesten Seiten gefüllt. Wieso linker Boulevardjournalismus nicht funktioniert, kann ich nicht sagen. Dass der Blick aber als konservatives Hetzblatt unter Chefredaktor Peter Uebersax in den 80er Jahren äusserst erfolgreich war, ist eine Tatsache. Ob es richtig wäre, aus dem Blick wieder ein solches Blatt zu machen, ist wiederum eine andere Frage. Ein Blick nach Grossbritannien wäre vielleicht nicht schlecht.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Linker Boulevardjournalismus ist problematisch, weil eher ungebildete Leute den Blick lesen. Ungebildete Leute wählen vor allem SVP, was diverse politologische Untersuchungen gezeigt haben.

Allerdings denke ich, dass linker Boulevard-journalismus durchaus funktionieren kann. Der Vorbehalt gegenüber kapitalistischen Abzockern kann agerade auch in der Unterschicht hervorgekitzelt werden. Hingegen wird es schwierig, den BlickleserInnen zu erklären, dass nicht jeder Mensch aus dem Balkan ein Krimineller ist...

Anonym hat gesagt…

Dabei sollte es doch gerade die Aufgabe des (Boulevard-)Journalismus sein, den Lesern zu erklären, dass nicht jeder Mensch aus dem Balkan ein Krimineller ist.

Anonym hat gesagt…

Ja, sie sollten es. Doch du sagst ja selber: Linker Boulevardjournalismus funktioniert nicht. Zu einem gewissen Grad vielleicht schon. Aber gewisse Muster kann er sicher nicht durchbrechen.

Der Kultursoziologe Gerhard Schulze nennt als ein kulturelles Merkmal der wenig gebildeten Schichten das sogenannten "Trivialschema", welches unter anderem die Abgernzung gegenüber dem Fremden enthalte. Nach Bourdieu würde man solche Schemata wohl als Habitus (tief internalisierte, unbewusste Denk-, und Verhaltensmusster) bezeichnen.

Aufgrund des Habitus-Elementes "Abgrenzung von Fremden" der Unterschicht funktioniert die Bonzenhetze (die Oberschicht ist für die Unterschicht ja auch etwas Fremdes), aber nicht der Abbau von Rassismus.

Solche Muster (dazu gehört in allen Schichten zum Beispiel auch die althergebrachte Rollenteilung von Frau und Mann) sind schwierig zu durchbrechen, eine Boulevardzeitschrift allein kann da nicht viel ausrichten. Eventuell wäre mit mehr Bildungsbeteiligung der Unterschit (sprich Abbau von Bildungsschranken) etwas zu erreichen.
Allerdings würde ich auch mit diesem Mittel nicht auf allzu rosige Resultate hoffen...