19.5.07

Grüezi, ich hätte gerne die Abstimmungsunterlagen

Bonanza fragt
Sollen 16-Jährige abstimmen dürfen?

Tigra sagt
Ja, wieso denn nicht. Aber anstatt jetzt ein Riesentheater darum zu veranstalten, ob sie abstimmen dürfen oder nicht, sollte man pragmatischer vorgehen. Die Frage lautet doch: Wollen 16-Jährige überhaupt abstimmen? Man geht davon aus, dass eine grosse Mehrheit sich (noch) nicht für Politik interessiert. Wenn jetzt also das Parlament weiss ich wie lange darüber diskutieren muss und wenn möglich gar noch Verfassungsänderungen vorgenommen werden sollen, startet man viel lieber einen kleinen Testlauf: Während eines Jahres sollten allen 16- und 17-Jährigen die Abstimmungsunterlagen zugeschickt werden. Danach zieht man Bilanz und dann kann man immer noch entscheiden. Höchstwahrscheinlich würden sich nicht mal 20 Prozent an Abstimmungen beteiligen. Um einiges an Kosten einzusparen, sollte man dann auf die Dauer jenen Abstimmungsfreudigen diese Möglichkeit zusprechen, indem man ihnen die Unterlagen gegen Anfrage aushändigt. Wer also will, soll abstimmen können. Statistisch sollte das kein Problem sein. Zu den 100 Prozent der Stimmberechtigten gehören dann auch diejenigen 16- und 17-Jährigen, welche die Abstimmungsunterlagen angefordert haben. Ganz einfach.

Ps: Was ich ja das Erstaunliche an der ganzen Debatte finde, ist die Tatsache, dass sich die Linken so sehr für das Stimmrechtsalter 16 einsetzen. Sie gehen davon aus, dass Jugendliche mehrheitlich sozial eingestellt sind. Aber so einfach ist das nicht. Experten glauben heute, dass mindestens so viele Jugendlich links wie rechts stimmen oder wählen würden. Das würde ja die ganze Sache wieder aufheben und die Diskussion wäre sinnlos. Also kümmern wir uns doch lieber um Wichtigeres.

18.4.07

Blick dir deine Meinung

Bonanza fragt
Hat der "Blick" noch eine Zukunft?


Tigra sagt
Nur wenn er seinen Kurs grundlegend ändert. Der Blick verliert stetig an Leser. Er hat noch knapp 700'000 Leser - fast halb so viele wie 20 Minuten. Das Problem beim Blick hat zwei Ursachen: Einerseits ist es die eben erwähnte Gratiszeitung, die sich von
der Informationsfülle her kaum vom Blick unterscheidet. Der einzige Unterschied beträgt noch 1 Franken 80. Andererseits ist es Frank A. Meyer. Der Chefpublizist beim Ringier-Verlag hat trotz Reichtum eine gewerkschaftliche Ader, ein Gespür für Benachteiligte. Was in den Blick kommt, muss erst mal an Frank A. Meyer vorbei. Er praktiziert einen Boulevard-Journalismus mit linkem Einschlag, was - wie die Weltwoche wohl richtig folgerte - nicht funktioniert ("Boulevard und Political Correctness vertragen sich nicht"). Das klingt seltsam, ist aber so. In Grossbritannien, der Hochburg des Boulevard, wird rücksichtslos mit dem Finger auf alles gezeigt, was irgendwie ungerecht erscheint. Egal ob die Akteure der Ungerechtigkeit auch mal Minderheiten (also Ausländer, Muslime oder Schwule) sind. Der Blick geht anders vor. Sobald Ausländer in Ungerechtigkeiten verstrickt sind, nimmt er sich zurück. Hat er hingegen das Gefühl, es gebe langsam genug Deutsche in der Schweiz, startet er eine Kampagne. Weil die Deutschen keine "bösen" Ausländer sind, wie jene aus dem Balkan. Der Blick schreibt auch lieber tagelang über den geklauten Laptop von Bundesrätin Doris Leuthard als über den Sozialhilfeskandal der grünen Zürcher Stadträtin Monika Stocker. Geraten linke Politiker in öffentliche Kritik, ist der Blick weit weg, pflanzen die Kinder von SVP-Parteipräsident Ueli Maurer Hanf im Garten an, hat der Blick eine Woche lang die prominentesten Seiten gefüllt. Wieso linker Boulevardjournalismus nicht funktioniert, kann ich nicht sagen. Dass der Blick aber als konservatives Hetzblatt unter Chefredaktor Peter Uebersax in den 80er Jahren äusserst erfolgreich war, ist eine Tatsache. Ob es richtig wäre, aus dem Blick wieder ein solches Blatt zu machen, ist wiederum eine andere Frage. Ein Blick nach Grossbritannien wäre vielleicht nicht schlecht.

17.4.07

Das Unumgängliche

Bonanza fragt
Geht die SP vor die Hunde?


Tigra sagt
Ja.

29.3.07

Lobbyistensterben in Bundesbern

Bonanza fragt
Gibt es eigentlich noch Lobbyisten im Bundeshaus?

Tigra sagt
Ja, aber sie sterben aus. Statistisch kann man das zwar nicht nachweisen, aber man sieht es anhand der Lobbypässe. Jedes Parlamentsmitglied kann 2 persönliche Pässe vergeben, mit denen man in den nichtöffentlichen Bereich (z. B. die Wandelhalle) des Bundeshauses vordringen darf. Doch je länger je mehr werden diese Lobbypässe für persönliche Mitarbeiter oder Familienmitglieder ausgestellt. Nur gerade ein Drittel der Pässe werden Lobbyisten vergeben, die immer weniger im Bundeshaus erscheinen. Einerseits ist das darauf zurückzuführen, dass die Lobbyisten vermehrt ausserhalb des Regierungsgebäudes ihre Arbeit verrichten, andererseits nimmt ihre Zahl stetig ab. Grund ist ein Phänomen, das fast nur im Schweizer Milizparlament zu beobachten ist: In den meisten Demokratien agieren die Parlamentarier als Vollzeitpolitiker, hierzulande gehen National- und Ständeräte nebenbei weltlichen Berufen nach. Wirtschaft, Verbände und Interessengruppen nutzen das aus und vergeben ihre lukrativen aber nicht gerade zeitaufwändigen Verwaltungsrats- und Beiratssitze jenen Parlamentariern, die ihrer Meinung nach am glaubwürdigsten ihre Interessen vertreten. Einige Räte, wie zum Beispiel der Zuger Ständerat Rolf Schweiger, machen gar nichts anderes als zwischen Verwaltungsratssitzungen hin und her zu rennen. Schweiger sitzt in 16 Verwaltungsräten, 4 Stiftungsräten und ist Mitglied in 4 Vereinen, von denen er 3 präsidiert (ja, Schweiger war der mit dem Burn-out). So kommt es also, dass die Parlamentarier selber zu Lobbyisten werden. Stellt sich nur die Frage, ob sie im Parlament noch die Interessen des Volkes oder die ihres Arbeitgebers vertreten.

14.3.07

Nursozwischendurch

Tigra sagt
Bundesrat Moritz Leuenberger bloggt jetzt auch: hier
(Mal sehn wie lange)

5.3.07

Antiverstaatlichungsrhetorik

Bonanza fragt
Wozu soll eine Einheitskrankenkasse gut sein?


Tigra sagt
Das fragen sich im Moment jene 35 bis 45 Prozent aller Schweizer Stimmberechtigten, die am Ende tatsächlich abstimmen, auch. Sie soll Kosten im Gesundheitsbereich sparen, sagen die Befürworter, und: Die Krankenkassenprämien sollen günstiger werden. Zumindest für jene, die es nötig hätten. Die Initiative hat aber keine Chance. Generell gilt: Alle sind dagegen, ausser die Linken (SP, Grüne und ein paar Gewerkschaftler - nur ein paar).
Für die Linken ist die Initiative ein Alptraum. Erstens ist die SP gespalten: Die Deutschschweizer SPler wollten eigentlich nicht mitmachen, die welschen aber schon. Zweitens hält die SP eine Studie zurück, die belegen sollte, dass die Mehrheit aller Prämienzahler von einer Einheitskasse profitieren sollen. In Wahrheit sieht wohl das Resultat der Studie anders aus. Derweil hat der Krankenkassenverband Santé Suisse selber eine Studie machen lassen, die nicht nur veröffentlicht worden ist, sondern auch belegen soll, dass die Initiative die Prämienzahler teuer zu stehen käme. Dazu kommen Wettbewerbsgeschwafel und Antiverstaatlichungsrhetorik von Liberalen (FDP und z.T. CVP) und Pseudo-Liberalen (SVP), die das unsichere Stimmvolk am Ende auf ihre Seite ziehen werden. Denn am Anfang dachten alle: Das ist eine super Idee, eine anstatt 87 Krankenkassen, so sparen wir Geld und die Prämien fallen. Und jetzt - kurz vor der Abstimmung - weiss niemand mehr, was Sache ist. Man ist unsicher, und was macht der Schweizer, wenn er unsicher ist? Er sagt Ja zum Status Quo, beziehungsweise Nein zur Veränderung. In diesem Falle würde ich das auch so machen, trotzdem werde ich ein Ja in die Urne legen - ein "Protest-Ja". Denn abgelehnt wird die Initiative sowieso.

Eigentlich sollte man Nein, aber... auf den Stimmzettel schreiben dürfen.

10.2.07

Frauen wählen astrologisch

Bonanza fragt
Ob Frauen in gleichem Mass an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen wie Männer?

Tigra sagt
Sicher. Das behauptet zumindest das Forschungsinstitut gfs.bern in seiner jüngsten Analyse. Sie hat im Nachhinein die Resultate eidgenössischer Abstimmungen geschlechterspezifisch untersucht. Herausgekommen ist, dass sich Männer und Frauen grundsätzlich bei Abstimmungen ähnlich verhalten. Ein bisschen mehr Gewicht würden die Frauen zwar auf die Themen "Service Public", "Umwelt" und "Benachteiligte" legen, während sie sich ein bisschen weniger für wirtschaftspolitische Vorlagen interessieren.
Anscheinend ist die Erkenntnis, dass sich die Frauen in gleichem Masse wie die Männer an Abstimmungen beteiligen, überraschend. So überraschend sogar, dass sich die Basellandschaftliche Zeitung sogleich der Frau als Wählerin angenommen hat. Am 7. Februar veröffentliche sie nämlich einen wählerinnenfreundlichen Artikel zur anstehenden basellandschaftlichen Regierungsratswahl. Die "Fähigkeiten der neun Kandidierenden" wurden darin "unter der astrologischen Lupe" betrachtet. Jeder männliche Wähler blättert sogleich weiter, während die Wählerin wohl inne hält und interessiert liest, dass der Astrologe Kurt Gschwind aus Lupsigen ein "Psychogramm der Persönlichkeiten" der Kandidierenden "anhand ihrer Geburtsdaten" erstellt hat. So sagt Gschwind zum Beispiel über Kandidat Peter Zwick (Stier): "Obwohl er einen Bedarf nach Originalität empfindet, will er diese stets eingebettet wissen in spiritueller Sinnhaftigkeit". Der Löwe Urs Wüthrich hingegen repräsentiert für ihn "eine Art tiefgründige Saftwurzel, die kraft- und lustvoll zu ihrer innersten Überzeugungen steht und diese gerne auch expositionsfreudig kommuniziert". Wenn ich im Kanton Baselland wählen dürfte würde ich aber den Kandidaten Rudolf Keller zuoberst auf die Liste setzen. Keller ist Widder und würde mit "Friedfertigkeit, Sicherheit und Heil (...) das Wesen des Kantons Baselland in all seinen Facetten erspüren und darauf eingehen".
Ist es der antifeministischen weiblichen Bevölkerung im Halbkanton zu verdanken, dass es da keine bitterbösen Leserbriefe von empörten Wählerinnen gab?